Blick zurück auf die ersten Straßenbahnen: So sah Münsters Nahverkehr vor 120 Jahren aus

Veröffentlicht von am 02.04.2020 (3 Kommentare)
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Pferde-Omnibus und Straßenbahn

Mit Pferden ging es los: Münsters Einstieg in den Nahverkehr fand 1888 mit drei Pferde-Omibussen statt. Schon bald aber wurden die Pferde von der Straßenbahn ersetzt, in der Bevölkerung liebevoll „Die Elektrische“ genannt. Das Netz wuchs in den ersten Jahren schnell, nach dem Ersten Weltkrieg musste der Betrieb allerdings zwischenzeitlich eingestellt werden. 

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Pferdekutsche als erste Omnibusse

Nahverkehr in Münster gab es ab 1888 – damals noch mit Pferde-Omnibussen. Am 8. August eröffnene Heinrich Hagenschneider den Betrieb mit drei Wagen. Anfangs noch gut genutzt, wird die Nachfrage schnell überschaubar, die Kutschwagen wurden den Münsteraner Großstädtern um die Jahrhndertwende nicht gerecht, so dass Alternativen nötig wurden. Immerhin fuhr doch in Berlin schon seit 1881 die erste elektrische Straßenbahn der Welt…

Umstieg auf die Elektrische

Ab 1895 diskutierte auch der Rat in Münster über eine Straßenbahn – entweder mit Gas oder Strom betrieben. Die Entscheidung fiel zugunsten der elektrischen Energie, so dass am gerade eröffneten Hafen nicht nur ein neues Elektrizitätswerk gebaut wurde, sondern auch Wagenhalle und Werkstatt. 

Einladungskarte zur Eröffnungsfeier

Los geht die neue Ära der Mobilität am 13. Juli 1901 mit einer Rundfahrt für Münsters Honoratioren, die das acht Kilometer lange Schienennetz erkundet. Vom Rathaus aus ging es zur Steinfurter Straße, durch die Altstadt zur Warendorfer Straße und von da aus zur Besichtigung der Wagenhalle. Ende der Rundfahrt war schließlich an der Hammer Straße, wo im Schützenhof (noch heute ist die Haltestelle Alter Schützenhof nach der dortigen Gaststätte benannt) ein rauschendes Fest gefeiert wurde – und zwar nach Einbruch der Dunkelheit elektrisch beleuchtet. Für die hohen Herren gab es Erdbeerbowle und kalte Küche, wie die Einladungskarte noch heute verrät. Als Kleidung war ein feiner Überrock – auch bekannt als Gehrock – gewünscht.

Für die Münsteraner fuhren die Straßenbahnen danach als „Elektrische“ auf drei Linien:

Die Straßenbahn 1901 an der Lambertikirche

Die Rote Linie fuhr vom Bahnhof über Servatiiplatz, Salzstraße (durch die berühmte heulende Kurve), Drubbel und Spiekerhof bis zur Steinfurter Straße, wo sie an der Schmalen Straße endete. Als Gelbe Linie startete die Straßenbahn an der Warendorfer Straße, sie fuhr über Servatiiplatz zum Prinzipalmarkt, Rothenburg und Ludgeristraße, von dort aus ging es über die Hammer Straße zum Alten Schützenhof. Die Grüne Linie führte vom Marienplatz über Verspoel, Windthorststraße und Bahnhofsstraße zum Albersloher Weg – allerdings nicht lange, da sie unwirtschaftlich war und bald eingestellt wurde. Vom Bahnhof zum Albersloher Weg wurde die Strecke dann von der Roten Linie übernommen. 

Unterwegs waren die Wagen mit nicht gerade rasanten 12 km/h Höchstgeschwindigkeit, die 1914 auch 15 km/h erhöht wurde. Auch die Straßenreinigung wurde ab 1908 auf Straßenbahnbetrieb umgestellt. Ein spezieller Sprengwagen mit 8.000 Litern Wasser an Bord konnte so 100.000 Qudratmeter Straße pro Fahrt besprengen.

Die Endhaltestelle an der Warendorfer Straße

1909 übernahm die Stadt die Bahnen vom vorherigen privaten Betreiber und brachten sie bei der städtischen Energieversorgung unter – der heutige Nachfolger dieser Gesellschaft heißt: Stadtwerke Münster.

Das Netz wurde weiter ausgebaut: Die neue Blaue Linie führte ab 1913 vom Roggenmarkt über Neubrücken- und Kanalstraße, durch das Kreuzviertel zur Kreuzschanze und weiter bis Nordplatz. Immerhin fünf Millionen Fahrgäste nutzen die Straßenbahnen in diesem Jahr.

Die Straßenbahn im Ersten Weltkrieg

Im Ersten Weltkrieg übernahmen Frauen Schaffner- und Wagenführer-Dienste

Im Ersten Weltkrieg wird die Stadt Münster nicht unmittelbar in Kämpfe verwickelt, zog als Garnisionsstadt aber viele Besucher an, die die Straßenbahn nutzten. Da jedoch viele Schaffner und Wagenführer eingezogen wurden, wurden 1915 erstmals Schaffnerinnen eingestellt, ab 1917 steuerten drei Frauen Straßenbahnen durch Münster. Was heute im Bus ganz normal ist, war damals eine kleine Sensation.

Verwundete Soldaten, auch Kriegsgefangene, die mit dem Zug nach Münster kamen, wurden per Straßenbahnwagen auf Krankenhäuser und Lazarette verteilt, acht Wagen dafür mit Liegen ausgerüstet. 47.000 Verwundete sollen so allein in Münster transportiert worden sein – das entspricht der Hälfte von Münsters Einwohnern zu jener Zeit, was deutlich die Ausmaße zeigt, die der Krieg angenommen hatte.

Nach Kriegsende machten der Straßenbahn wirtschaftliche Probleme zu schaffen. Kohlemangel im Elektrizitätswerk sorgt 1920 für regelmäßigen Stillstand auf den Linien, 1922 zieht die Stadt schließlich den Stecker: Zum 30. September wird der Betrieb komplett eingestellt. Das von Inflation geplagte Münster kann sich die Straßenbahn nicht mehr leisten.

Ausbau des Netzes

Zweigleisiger Ausbau aus dem Prinzipalmarkt 1927

Als sich die Wirtschaft 1923 erholt, fahren die Bahnen versuchsweise wieder für einige Tage, ab Februar 1924 starten die Rote und Gelbe Linie wieder regulär, einige Monate später auch die Blaue Linie. 

Auf vielen Strecken erfolgt 1927 sogar ein zweigleisiger Ausbau, auch der Prinzipalmarkt wird dafür komplett umgegraben. So entfiel das lästige Warten an Ausweichstellen vor den bisher eingleisigen Abschnitten. Seine größte Ausdehnung erreichte das Netz mit etwas über 13 Kilometer Schienenstrecke 1931. Die Linien verlieren nun auch ihre Farben, aus Rot wird 1, aus Gelb 2 und aus der Blauen wird die Linie 3.

Liniennetz ca. 1930

Seit 1925 ergänzten außerdem Autobusse die Straßenbahnen, da nach den wirtschaftlichen Turbulenzen der vorangegangenen Jahre und dem geplanten Ausbau kein Geld für eine vierte Straßenbahnlinie mehr da ist. Verglichen mit dem Straßenbahnnetz wuchs das Busnetz rasant, auf 44 Kilometer vor dem Zweiten Weltkrieg. 

Weiter geht es im zweiten Teil, Blick zurück auf Straßenbahnen: So sah Münsters Nahverkehr vor 70 Jahren aus.

3 Kommentare

  1. Wilhelm Krausa
    9. April 2020

    Guten Tag, wäre es möglich eine Dokumentation in Buchform zu den Themen herauszubringen?
    Viele Grüße, W. Krausa

    Antworten
    • Florian Adler
      14. April 2020

      Hallo,

      in verschiedenen Jubiläumsschriften, zum Beispiel „100 Jahre Nahverkehr“ von 1988, haben wir das schon einmal gemacht. Allerdings sind diese inzwischen vergriffen. Daraus ein Buch zu machen, ist derzeit nicht geplant. Der Aufwand dafür wäre doch recht groß.

      Antworten
  2. Günter Becker
    3. April 2020

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre stets sehr interessanten Berichte und vor allen Dingen auch für die Bilder.
    Die sind immer super.
    Viele Grüße von
    Günter Becker

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