Wie der Strom nach Münster kam

Veröffentlicht von am 06.04.2021 (Keine Kommentare)
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So sah es 1901 im ersten Kraftwerk Münsters aus

Morgens geht der erste Blick auf Handydisplay, dann wird die Kaffeemaschine angestellt und die elektrische Zahnbürste kommt zum Einsatz. Bevor es losgeht zur Arbeit kontrollieren wir noch kurz, ob alle Lichter ausgeschaltet sind und programmieren die Waschmaschine so, dass die Wäsche fertig ist, wenn wir wieder da sind.

Was heute ganz normal ist, war für unsere Urgroßeltern unvorstellbar – allerdings nicht, weil es an der smarten Waschmaschine fehlte. Denn es ist kaum 120 Jahre her, da war elektrische Energie im privaten Haushalt unvorstellbarer Luxus. Wir erzählen, wie und wann der Strom nach Münster kam.

Ein Haushalt ohne Strom?

Die ersten Dampfturbinen der Stadt, 1910

Ohne Strom zu leben, ist heute kaum noch möglich. Kühlschrank, Herd, Beleuchtung, Home Office, Unterhaltung, alles braucht die elektrische Energie. Und während Kerzen auch heute noch schönes Licht machen, um ein gedrucktes Buch zu lesen, so würde es mich doch vor eine Herausforderung stellen, über offenem Feuer kochen zu müssen.

Das war in Münster bis etwa um 1900 aber ganz normal. Zum Wäsche oder sich selbst waschen wurde Wasser über Feuer erwärmt, gekocht wurde im Ofen und das Licht kam aus Petroleumlampen – einige Haushalte hatten auch bereits einen Gasanschluss, der zum Kochen, Heizen und für Licht dienen konnte. Immerhin Trinkwasser stand vielen Haushalten bereits per Leitung zur Verfügung: Das erste Wasserwerk wurde 1880 gebaut, bis um die Jahrhundertwende kamen weitere hinzu. Und für die Klärung der Abwässer legte die Stadt die Rieselfelder an. 

Aber wann kam denn der Strom nach Münster?

Strom für die „Elektrische“

Ohne Strom keine Straßenbahn: Sie war der Grund für den Bau des ersten E-Werks

Kurz vor Ende der Jahrhundertwende begann Münster, sich mit der elektrischen Energie auseinanderzusetzen. Aber: Nachdem die Stadt bereits viel in die Versorgung mit Erdgas und Trinkwasser investiert hatte und gerade auch die Kanalisation aufbaute, wollten die Bürger da wirklich noch Strom, der in diesen Jahren schon viele Großstädte erreichte? Eine Bürgerumfrage sollte es klären, begleitet von Ausstellungen rund um die Möglichkeiten, die die neue Energie bieten würde. Als „überraschend positiv“ wird das Ergebnis der Umfrage beschrieben – und so war die Entscheidung gefallen: Münster sollte ein eigenes Kraftwerk erhalten, Ende 1898 konnten Firmen ihre Angebote zum Aufbau abgeben. Hauptaufgabe des Werks, das am gerade eröffneten Hafen entstehen sollte, war es allerdings nicht, Haushalte zu versorgen, sondern den Betrieb einer Straßenbahn zu ermöglichen. 1900 war klar: 1,5 Mio Mark kostete das E-Werk, weitere 1,1 Mio Mark die Straßenbahn. 

Den Zuschlag zum Bau bekam die Elektrizitäts-Actien-Gesellschaft vorm. W. Lahmeyer & Co. aus Frankfurt, die sich zügig an die Umsetzung machte: Schon 14 Monate nach Auftragsbestätigung stand im Mai 1901 die erste Gasmaschine im neuen Kraftwerk am Hafen und nur wenige Wochen später, im Juli 1901, rollte die erste Straßenbahn mit Strom aus dem Kraftwerk. Ziel der Jungfernfahrt war der Schützenhof an der Hammer Straße, der nicht nur Endhaltestelle der Straßenbahn war, sondern zur Feier der Einführung auch elektrisch beleuchtet wurde, wie die Einladungskarte stolz verkündete. 

In die Haushalte

Abgabe von Strom, Gas und Wasser in den Jahren 1900 bis 1953

Zu Beginn erzeugten zwei Maschinen Strom für Münster: 550 Volt für die Straßenbahn und 220 Volt Gleichstrom für städtische Zwecke, unter anderem die Straßenbeleuchtung, die allerdings noch lange meist als Gaslaterne betrieben wurde. Damit auch weiter entfernte Abnehmer – zum Beispiel das Wasserwerk in der Hohen Ward – Strom erhalten konnten, wurden schon bald Umformer aufgestellt, die die Gleich- in Wechselstrom transformieren konnten. 

Schon 1903 wurden 1,5 Mio Kilowattstunden Strom erzeugt, 1910 waren es 3,3 Millionen, zehn Jahre später schon 7,3 Millionen. Da das E-Werk kaum so schnell wachsen konnte, wie die Nachfrage nach Strom zunahm, wurde es daher schnell erweitert, statt einer zweiten Maschinenhalle wurde 1910 ein Kesselhaus mit Dampfturbinen errichtet. 

Hatte man sich 1912 noch entschlossen, weiter nur eigenständig Strom zu erzeugen und sich nicht an ein regionales Netz anzuschließen, wurde diese Entscheidung nach dem Ersten Weltkrieg revidiert: Münster schloss sich an ein größeres Netz an. Denn das eigene Kraftwerk kam immer stärker an seine Grenzen, immer mehr Haushalte wollten einen Stromanschluss: 3.781 Hausanschlüsse mit 7.712 Zählern waren 1921 registriert. Zum Vergleich: 1904 gab es gerade einmal 519 Hausanschlüsse, 1911 immerhin 1.281. Daher war der Anschluss an das Netz eine schnelle Lösung, um die Nachfrage bedienen zu können. 

Ein sinnvoller und notwendiger Schritt, denn immer mehr Haushaltsgeräte wurden elektrisch, die Hersteller bewarben ihre deutlich bequemeren Innovationen massiv. Damit einher ging dann auch eine deutliche Abnahmesteigerung – während die Wasserabgabe relativ konstant blieb. Übrigens: Die „Überlandzentrale“, an die Münster sich anschloss, war das Elektrizitätswerk Westfalen (EW). 1925 nannte es sich um, und der neue Name ist an manchen Stellen noch heute in der Stadt sichtbar: Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen oder kurz VEW.

Der Hafen ist von 1900 bis heute Kraftwerksstandort

Münsters Grundbedarf an Strom wurde allerdings weiter aus dem E-Werk vom Rande des Hafenbeckens gedeckt. Seit 1900 ist der Hafen der Kraftwerksstandort für Münster, denn bis heute kommt ein Teil des Stroms von hier, auch wenn das Netz nicht mehr nur im westfälischen Verbund läuft, sondern europaweit ausgebaut ist. 

 

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