Als der Hafen noch Industriegebiet war

Veröffentlicht von am 01.08.2018 (Keine Kommentare)
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Bevor es der Kreativkai wurde, lagen zahlreiche Schiffe an der Kaimauer

Wer heute mit Bier, Wein oder Cola in einem der Lokale am Kreativkai oder auf den steinernen Bänken an der Hafenkante sitzt, kann sich kaum noch vorstellen, dass dort im Wasser früher Schiff an Schiff lag und seine Ladung gelöscht hat. Dass Eisenbahnwaggons über die Schienen gerumpelt und Getreide, Holz und andere Baustoffe abtransportiert haben. Heute erinnert auf den ersten Blick nur noch der Hafenkran an diese Zeit.

Wir werfen – mit vielen Fotos und Erinnerungen – einen Blick zurück auf die letzten Jahrzehnte Hafengeschichte. Mehr aus den ersten Dekaden findet ihr ebenfalls hier im Blog

Das letzte Schiff

Hier legte 2012 das letzte Frachtschiff an

Der 3. August 2012 war offenbar kein besonders bemerkenswerter Tag. Wikipedia vermerkt lediglich den ersten Dunking einer Frau in der Geschichte der Olympischen Spiele. Für Münster allerdings tat sich Historisches – auch wenn das kaum jemand mitbekommen hatte.

Am Hafen legte das letzte gewerbliche Schiff an und lieferte 800 Tonnen Sand für das Betonwerk Weber & Elskes. Der Betrieb lag am Hafengrenzweg, also nicht im Stichhafen, sondern als Parallelhafen direkt am Kanal und war der letzte, der noch regelmäßig Güter per Schiff bekam. 2012 zog er dann an die Eulerstraße um. Nur der grüne Ladekran am Dortmund-Ems-Kanal blieb zurück und ist bis heute von der Albersloher-Weg-Brücke zu sehen. 

Per Leeze zum Abkassieren

Der Hafenmeister musste jedes Schiff aufsuchen – das machte er per Leeze

Einige Jahre früher kamen pro Tag manchmal noch 50 Schiffe an im Hafenbecken, dem Parallelhafen und dem Stadthafen 2. Und unser Hafenmeister war mit seinem Dienstfahrrad von früh bis spät unterwegs: Ankünfte und Löschzeiten überwachen, Hafengebühren eintreiben sowie Fragen beantworten: Wo ist der nächste Supermarkt, wo kann ich meinen Müll loswerden? Gerade in einem kleinen Hafen wie Münster kannten sich Hafenmeister und Binnenschiffer, die Leute an Bord freuten sich, wenn ein bekanntes Gesicht auftauchte. 

Viele Ladungen wurden direkt bei den ansässigen Betrieben verarbeitet oder gelagert. Holz bei Ostermann und Scheiwe in den Osmo-Hallen, Getreide in den Speichern von Flechtheim, Rhenus (den Speicher gibt es als Bürostandort noch heute und hier Fotos von vor dem Umbau) und WCG, der dort stand wo heute das Pierhouse beheimatet ist. Der Weitertransport erfolgte häufig per Bahn, die Gleise am Ufer und quer über den Hafenplatz zeugen noch heute davon. Das übrigens hat nicht alle erfreut. Überliefert ist der Beschwerdebrief eines Münsteraners, der eineinhalb Stunden am Albersloher Weg warten musste, weil 180 Waggons über die Schienen rangiert wurden. 

4.300 Schiffe pro Jahr

Die Kohle für das alte Kraftwerk kam über den Kanal…

In den 1960er Jahren war die Blütezeit des Hafens, mit bis zu 4.300 Schiffen, die jährlich ein- und wieder ausliefen, mit regelmäßig über einer Million Tonnen Güterumschlag. Mit dem Aufkommen der Firmenhafen – konkret der Ölhafen bei Gelmer und der WCG-Hafen am Industrieweg (heute ist das Agravis) – sank der Umschlag am Stadthafen langsam wieder und rutschte 1979 erstmals unter eine Million. 

Wichtigster Abnehmer im Hafen wurden die Stadtwerke daher bald selbst: mit dem Ende der 1970er Jahre gebauten Kohlekraftwerk. Die Kohleschiffer brachten ihre schwarze Ladung bis ganz zur Hafenspitze. Dort entlud der Hafenkran, der heute das Wahrzeichen des Hafens ist, die Schiffe. Gelagert wurde die Kohle im Kohlerundbunker, der heute noch dort steht und statt Kohle Fernwärme speichert. Über ein Transportband wurde die Kohle dann ins benachbarte Kraftwerk gebracht. Auch davon gibt es heute noch Rückstände zu sehen.  

…und ging aus dem Kohlebunker per Transportband ins Kraftwerk

Als wir das Kraftwerk 2005 auf umweltfreundliches Erdgas umgerüstet haben, fiel damit auch der letzte Großabnehmer von Gütern am Hafen weg. Der Umschlag sank in Folge auf gerade noch 118.000 Tonnen, weniger als ein Zehntel der Menge, die zu Hochzeiten umgeschlagen wurde. Mit dem Umzug des Betonwerks von Weber & Elskes 2012 war das Schicksal des Güterhafen dann endgültig besiegelt, seit einigen Jahren liegt der Güterumschlag bei exakt 0 Tonnen. 

Übrigens: Der Hafen ist noch viel älter als die Fotos und Geschichten aus dem Blogartikel. Über die Eröffnung des Hafens 1898 und die Jahre bis zum Zweiten Weltkrieg findet ihr alles in diesem Artikel

 

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