Künftige Nobelpreisträger fahren elektrisch

Veröffentlicht von am 04.10.2017 (Keine Kommentare)
Schlagworte: ,

Objekt von Interesse: Die Projektgruppe vor einem unserer Elektrobusse.

Umweltfreundlich, emissionsfrei und wasserstoffbetrieben: Geht es nach den Schülerinnen und Schüler des Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasiums, sieht so die Mobilität der Zukunft aus. Im naturwissenschaftlichen Unterricht erforschen sie Elektromobilität und Brennstoffzellen-Technologie. Starthilfe geben auch unsere Elektrobusse.

Auf die Frage, wer schon mal ein Elektroauto gefahren ist, heben sich nur wenige Hände. „In zehn Jahren wird hier jede Hand in die Höhe schnellen“, prophezeit Professor Dr. Joachim Treusch den rund 30 Schülerinnen und Schülern des Annette-von Droste-Hülshoff-Gymnasiums. Als Vorstandsvorsitzender der renommierten Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung ist er auf den Betriebshof der Stadtwerke nach Münster gekommen. Treusch gibt hier den Startschuss für ein Projekt, das genauso gut an einer physikalischen Fakultät oder einem Forschungsinstitut stattfinden könnte: In den kommenden zwei Jahren forschen die Schüler des naturwissenschaftlichen Zweigs am Annette-Gymnasium zu Wasserstoff- und Elektroantrieb. Ihre zentrale Frage: Wie lässt sich grüner Wasserstoff nachhaltig produzieren, speichern und als Treibstoff für Brennstoffzellen in Elektrofahrzeugen einsetzen?

Das Thema Wasserstoffantrieb beschäftigt Lehrer Michael Deittert schon lang. Bereits 2011 gewannen zwei von ihm betreute Schüler mit einem kleinen wasserstoffbetriebenen Modellauto den KICK-Wettbewerb der Stadtwerke Münster. In einer kleinen Brennstoffzelle produzierte es selbst die Energie, die es zum Fahren benötigt, aus Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) aus der Luft. Um zu testen, wie die Technik im großen Maßstab im Alltagseinsatz funktioniert, haben wir im Frühjahr einen Wasserstoffbus mit Brennstoffzellen durch Münster geschickt.

Damals Zukunftsmusik, heute Chartstürmer: Wasserstoffantrieb

Hannes und Michel erläutern Professor Joachim Treusch ihr Modell eines Brennstoffzellen-Autos.

Heute, knapp sieben Jahre später, ist die Brennstoffzellen-Technologie das heiße Gesprächsthema auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA), die Politik diskutiert Dieselfahrverbote und das Ende des Verbrennungsmotors. Als erste Buslinie rollt die Linie 14 überwiegend elektrisch durch die Stadt und im Frühjahr 2018 werden wir die ersten beiden wasserstoffbetriebenen Elektrobusse auf die Münsters Straßen holen. In Amelsbüren hat im Herbst 2016 die erste Wasserstoff-Tankstelle im Münsterland eröffnet.

Mit der Aktualität des Themas und der wachsenden Erfahrung des MINT-Kollegiums vom Annette in ist auch die Herangehensweise der Lehrer an dieses Projekt eine andere geworden: „Nicht nur die Schülerinnen und Schüler unserer Schule sollen von den neuen, didaktischen Ideen profitieren, sondern auch Lehrer und Schüler in ganz Nordrhein-Westfalen“, erläutert Lehrer Deittert. Denn seit zwei Jahren stehen Brennstoffzellen-Technologie und Elektromobilität zwar prominent auf den Lehrplänen des Bundeslandes, aber Lehrmaterial und Anleitungen für Experimente im Unterricht sind nur spärlich vorhanden. Zudem bilden sie insbesondere die aktuellen Fragestellungen und Lösungsansätze nur unzureichend ab. Was tun? „Netzwerke knüpfen und mit vereinigten Kräften selber machen!“ lautet Deitterts Antwort. So will er mit seinen Schülern in den nächsten zwei Jahren Erfahrungen sammeln und diese in praktikable Versuchsanordnungen und Arbeitsblätter übersetzen.

Mit gleichgesinnten Lehrern tauscht Deittert sich aus und gemeinsam treiben sie den modernen naturwissenschaftlichen Unterricht fächerübergreifend voran. „Die klassische Trennung zwischen Physik, Chemie und Informatik gibt es heutzutage kaum noch“, sagt Deittert. „Die Schnittstellen sind so groß und die Grenzen so fließend, dass wir nur noch von MINT – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik – sprechen.“ Anfassen, experimentieren und das Beobachtete in den Alltag übersetzen – so geht naturwissenschaftlicher Unterricht heute.

Mit Lehrerkollegen von Schwerpunkt-Schulen im Sauerland und im Ruhrgebiet hat Deittert das Zukunftsschulnetzwerk Digital Science gegründet. Über diese Plattform werden die Ergebnisse anderen Schulen im Land zugänglich gemacht. „Auch das ist eine Frage der Nachhaltigkeit“, sagt Deittert. Dass seine Schützlinge es gewohnt sind, ihr Wissen weiterzugeben, wird im Gespräch mit Hannes und Michel schnell klar. Präzise und selbstbewusst fachsimpeln sie mit dem hochdekorierten Professor und Stiftungsvorstand über ihren Versuchsaufbau, ein kleines hellblaues Miniaturauto mit eigener Brennstoffzelle.

Blick über den Tellerrand

Austausch über Elektromobilität und Wasserstoff-Antrieb (v.l.n.r.): Prof. Dr. Joachim Treusch von der Wilhelm und Else Heraeus.-Stiftung, Lehrer Michael Deittert und Schulleiterin Anette Kettelhoid vom Annette-Gymnasium, Eckhard Schläfke, Leiter des Stadtwerke-Verkehrsbetriebs und Kai Jordan, Leiter des Zukunftsschulnetzwerks DIGITAL Science.

Allein ist ein solches Vorhaben nicht zu stemmen. Deswegen hat Deittert auch außerhalb der Schule Mitstreiter gesucht und Überzeugungstäter gefunden. Die renommierte Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung fördert die jungen Forscher mit mehr als 30.000 Euro. Das Geld fließt in den Unterricht, in Messgeräte und Verbrauchsmaterialien mit Namen so kompliziert wie die Materie – Grätzelzellen-Kits oder Lithiumakkumulatoren.

Wir, die Stadtwerke Münster, sind als Industriepartner mit von der Partie. Wir öffnen den Nachwuchsforschern unseren Betriebshof und stellen Daten aus dem Betrieb unserer batterie- und, ab dem kommenden Jahr, wasserstoffbetriebenen Elektrobusse zur Auswertung bereit. Unsere Fachleute für die Elektromobilität berichten über die Erfahrungen und Grenzen von Elektromobilen im alltäglichen Linieneinsatz. So ist der Verkehrsbetrieb an der Rösnerstraße nicht nur das Zuhause einer der modernsten Busflotten Europas. Er ist auf dem Weg zum außerschulischen Lernort und damit auch ein bisschen Zukunftslabor.

Einen Kommentar schreiben