Anekdoten aus 40 Jahren Straßenbeleuchtung

Veröffentlicht von am 21.08.2019 (4 Kommentare)
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Schwindelfrei ist Pflicht: Der Hubsteiger war und ist das wichtigste Arbeitsmittel unserer Beleuchter. (Aufnahme von 1994).

Wenn sich jemand mit dem Licht in Münster auskennt, dann ist es Ernst Wiesmann. 39 Jahre lang sorgte Ernst mit seinem Straßenbeleuchtungsteam dafür, dass kein Nachtschwärmer im Dunkeln nach Hause oder zur Nacht- und Frühschicht finden muss. Im September tritt das Stadtwerke-Urgestein nun seinen wohlverdienten Ruhestand an.

Am münsterschen Nachthimmel hat sich in seiner Zeit viel verändert.

Lichtsteuerung mit Pult und Hupe

Früher konnte der Pförtner die Straßenlichter über ein großes Pult steuern an. Ließ sich eine Störung darüber nicht beheben, begann für die Techniker die Detektivarbeit. (Aufnahme von 1994)

Licht an, Licht aus – so einfach ist das nicht, wenn es um mehr als 28.000 Lichter in bis zu 16 Metern Höhe geht. Wo heute per Funktechnik viel ferngesteuert werden kann, waren mit der früheren analogen Technik Handarbeit und im Störungsfall lange Wege und manchmal auch Spürsinn notwendig. Die Straßenbeleuchtung wurde zwar schon zentral von einem Dämmerungsschalter an- und ausgeschaltet. Unüberhörbar kündigte früher eine Hupe das Anschalten der Straßenleuchten an. Dies war das Signal für den Stadtwerke-Pförtner auf seinem großen Pult 60 Lämpchen zu kontrollieren. Blieb eins aus, blieb es in einem Teil der Stadt dunkel. Per Knopfdruck konnte der Pförtner versuchen, die betroffenen Leuchten manuell zu schalten. Funktionierte dies nicht, begann für die Techniker die Detektivarbeit.

Mit Blaulicht-Eskorte durch Wolbeck

Ein solches Erlebnis aus den neunziger Jahren ist Ernst Wiesmann besonders im Gedächtnis geblieben: Die Laternen in Wolbeck und Gremmendorf flackerten und blinkten – „wie in der Disko“. Auf Hinweis einiger Anwohner fuhr der junge Beleuchtungstechniker zu später Stunde an den Ort des Geschehens. Im Flackerlicht begab er sich auf Fehlersuche und fuhr die Strom- und Beleuchtungskästen ab. Irgendwo in einem dieser Kästen entlang der wild blinkenden Strecke musste sich der Defekt verstecken. Die Frage war nur, in welchem?

Der Mann, der da im Dunkeln am Schaltschrank hantierte, kam der Besatzung eines zufällig vorbeifahrenden Polizeiwagens verdächtig vor. Auf die Frage, was er denn da am Schaltkasten tue, reichte ein Fingerzeig gen blinkendem Nachthimmel und das Stadtwerke-Logo auf seiner Jacke. Freund und Helfer waren schnell überzeugt und eskortierten den Techniker mit Blaulicht auf seiner Tour. So blinkte es in Ernsts Wagen nicht nur in sanftem gelb von oben, sondern auch blau vor der Windschutzscheibe. Den Kabelfehler fand Ernst nach einigem Suchen dann schließlich auch, seine persönliche Eskorte war da allerdings schon zum nächsten Einsatz unterwegs.

Schlau und sparsam ist die Zukunft

Kugelleuchten in der Salzstraße (Foto: Henning Stoffers)

Noch Anfang der 2000er Jahre mussten die Kollegen nach jedem und manchmal auch während des Wochenendes zu den Laternen an viel frequentierten Straßen und Plätzen der Innenstadt ausrücken. „Die Glühlampen in den Kugelleuchten an der Salzstraße waren besonders empfindlich. Dorthin sind wir fast jedes Wochenende ausgerückt, um beschädigte Laternen zu reparieren“, erinnert sich Wiesmann. Neben den Laternen leuchtete damals übrigens noch die Außenwerbung der zahlreichen Geschäfte in die Nacht. 

1994 kamen in der Straßenbeleuchtung schon Rechner zum Einsatz. Heute werden sogar die Laternen selbst intelligent.

Diese alten Glühlampen und ihr gelbes Licht verschwinden nach und nach. Sie werden größtenteils durch LED ersetzt. Das bietet dem Beleuchter-Profi viele Vorteile: Das Licht kann gezielter ausgerichtet werden und nach Bedarf intelligent gesteuert werden. Mit der steigenden Zahl an LED in der Straßenbeleuchtung werden Reparatur-Einsätze aber weniger. Die LED-Technik verbraucht nicht nur weniger Energie, sie ist auch robuster und langlebiger als die alten Quecksilberdampflampen.

Ein leuchtendes Kleinod, das der besonderen Aufmerksamkeit der Lichtprofis bedarf, wird allerdings auch Ernsts langjährige Schirmherrschaft überleben: Die historischen Gaslaternen im Kreuzviertel.

Kein Job von neun bis fünf

Liebgewonnene Tradition: Die Weihnachtslichter begleiteten Ernst Wiesmann (r.) durch sein Berufsleben als Beleuchtungstechniker.

Auch, wenn die allermeisten münsterschen Straßenlaternen heutzutage per Funk ferngesteuert werden können, die Störungsmeldungen über den Mängelmelder der Stadt auch online kommen und direkt auf dem Tablet der Techniker landen, sind Nachteinsätze und Notdienste nach wie vor notwendig.

Von 9 bis 17 Uhr ist ein Job in der Straßenbeleuchtung nicht zu machen – gerade wenn es im Sommer früh hell und spät dunkel wird. Wartungsarbeiten an den Laternen entlang großer Verkehrsadern beginnen beispielsweise schon um 4 Uhr früh, damit unser Hubsteiger den fließenden Verkehr nicht zu sehr stört. Und auch tagsüber ist immer etwas zu tun. Das 13-köpfige Team rückt aus, wenn Laternen beispielsweise bei Sturm oder Unfällen beschädigt werden oder es streckenweise dunkel bleibt.

Und dann ist da noch das Tagesgeschäft: Das Beleuchtungsteam wartet die 28.000 münsterschen Laternen, versetzt sie bei Bauarbeiten, leistet Unterstützung in benachbarten Kreisen, testet intelligente Beleuchtungssysteme und baut im Auftrag von Firmen größere Beleuchtungsprojekte, beispielsweise an Parkplätzen.

Die Pläne für die nächsten Großprojekte liegen auch schon in der Schublade: die Beleuchtung für die York- und Oxford-Kaserne und die geplanten Velo-Routen. Deren Bau wird ohne Ernsts Aufsicht von statten gehen. Auch die Weihnachtsbeleuchtung wird sein eingespieltes Team in diesem Jahr ohne ihn händeln. Nach fast 40 Jahren freut er sich jetzt auf lange Urlaube und Freizeit mit seinen drei Enkelkindern. Mit Recht.

Wir sagen: Danke, lieber Ernst, für die vielen hellen Stunden!

4 Kommentare

  1. Oreo33
    6. September 2019

    Schöner Beitrag. Ist mal ein schöner Einblick in einen spannenden Beruf. Und man hat ja nicht nur mit Schaltschrankzubehör und so zu tun, sondern auch mit Menschen und erlebt sicherlich jeden Tag was Neues…

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  2. Dominik Bleckmann
    23. August 2019

    Soviel Stadtwerke-Geschichte, so viele Anekdoten. Da kann man als Stadtwerke-Neuling nur den Hut ziehen! Schöner Bericht.

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  3. Dominic Röhricht
    22. August 2019

    Ein wirklich sehr schöner Artikel mit schönen Fotos:-)
    Alles gute im baldigen Ruhestand.

    Dominic

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  4. Bert Hußmann
    22. August 2019

    Super Bericht über einen bewundernswerten Mitarbeiter

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