Wie aus einer Minute drei werden können: Echtzeitauskunft und ihre Grenzen

Veröffentlicht von am 05.02.2015 (8 Kommentare)
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Noch eine Minute, dann ist der Bus da.

Noch eine Minute, dann ist der Bus da.

14.27 Uhr. Eigentlich hätte die 11 in Richtung Gievenbeck schon vor zwei Minuten an der Haltestelle Klemensstraße ankommen müssen. Zur planmäßigen Abfahrtszeit um 14.25 Uhr zeigte die FIS-Anlage aber noch „3 Min“ an. Nun soll es noch eine Minute dauern, laut Anzeige. Und tatsächlich: Hinter dem Stubengassen-Bau kommt Wagen 1246 um die Ecke. Woher aber weiß denn eigentlich FIS, wie lange der Bus noch braucht, bis er voraussichtlich an der Haltestelle ankommt? Und warum klappt das manchmal nicht wie gewünscht?

Herzstück aller Information ist das rechnergesteuerte Betriebsleitsystem, kurz RBL, oder neudeutsch Intermodal Transport Control System, kurz ITCS. Hier laufen sämtliche Informationen zusammen, werden verarbeitet und dann an verschiedene Ausgabequellen geschickt –und anderem auch an die FIS- (oder: Fahrgast-Informationssystem-)Anlagen. Aber von vorne:

Woher weiß der Bus, wo er sich gerade befindet?

Linie 6 auf dem Albersloher Weg

Über am Straßenrand angebrachte Baken aktualisiert der Bus laufend seine Position.

Entlang der Linienwege befinden sich in regelmäßigen Abständen Baken. Hauptsächlich werden diese Baken zur Ansteuerung der Ampelanlagen genutzt, helfen aber auch, die aktuelle Position der Busse zu bestimmen. Fährt der Bus an einer solchen Bake vorbei, sprechen Bordrechner und Bake miteinander. Da die Standorte der Baken im RBL hinterlegt sind, aktualisiert der Bordrechner so laufend seine Position. Das gilt übrigens ebenfalls für das Öffnen der Tür an Haltestellen: Auch dabei kann der Bordrechner seine Position ermitteln bzw. synchronisieren. Abgerundet wird das noch über den im Bus verbauten Wegstreckenzähler. Der zählt fleißig die gefahrenen Meter mit und gleicht dies mit dem im Bordrechner hinterlegten Meterangaben zwischen den einzelnen Haltestellen ab. Über dieses Zusammenspiel kann der Bordrechner sehr genau bestimmen wo der Bus sich gerade befindet.

Das RBL fragt diese Information regelmäßig von allen Bussen ab. Dafür schickt es einen kurzen Funkbefehl an den Bus und fordert diesen auf, seine Position mitzuteilen. Darauf antwortet der Bordrechner und verschickt ein Datenpaket mit seiner Position. Das RBL verarbeitet diese Daten und weiß dann: Unser Bus der Linie 11 kommt gleich an der Haltestelle Klemensstraße an. Also sendet das RBL ein neues Datenpaket an die FIS-Säule dort: „Linie 11 kommt in einer Minute.“ Nach diesem Schema werden dann alle FIS-Anlagen entlang des Linienweges mit aktuellen Daten versorgt. Von der Klemensstraße bis zum Krummen Timpen beispielsweise dauert der Linienweg fünf Minuten, FIS zeigt dort also „6 Min“. Zum Coesfelder Kreuz sind es zwölf Minuten, also erscheint „13 Min“ auf dem Display. Kommt der Bus nun an einer weiteren Bake vorbei, erneuert er seine neue Position und schickt sie bei der nächsten Anfrage an das RBL. Das wiederum versorgt die FIS-Säulen mit der neu errechneten Ankunftszeit.

Warum dauert es manchmal länger als angezeigt?

FIS erklärt2

Bus im Stau: Erhält das Betriebsleitsystem mehrmals die gleiche Position vom Bus, ändert sich die Anzeige.

Kennt das Leitsystem den Standort des Busses, rechnet es anhand der im Fahrplan vorgesehenen Zeit zur Haltestelle die voraussichtliche Ankunftszeit aus. Unsere 11 braucht von der Klemensstraße zum Krummen Timpen laut Fahrplan fünf Minuten. Kommt der Bus also wie erwartet durch, stimmt die angezeigte Zeit. Was passiert aber, wenn der Bus nun am Domplatz länger steht – etwa weil die Kreuzung am Landesmuseum verstopft ist? Antwortet der Bus auf mehrere Anfragen mit dem gleichen Standort, bleibt der errechnete Weg natürlich auch gleich lang. Resultat: Die Minutenanzeige läuft nicht wie erwartet weiter, sie steht über einige Minuten bei „3 Min“.

Die Lösung des Problems haben mit Sicherheit schon einige in Aktion erlebt: Die Minutenanzeige verschwindet, stattdessen erscheint der Text „Bus im Stau, Abfahrt später“. Ja, es ist für den Fahrgast ärgerlich, dass er keine Abfahrtszeit mehr erhält. Da sich aber nicht voraussehen lässt, wie lange der Bus nicht voran kommt, wäre eine Zeitangabe Mogelei. Und das wäre für den Fahrgast noch ärgerlicher.

Warum steht eigentlich manchmal eine Uhrzeit auf der Anzeige?

Die Minutenanzeige in der Form „5 Min“ ist immer eine Echtzeit, die auf der letzten erfassten Position des Busses basiert. Manchmal jedoch steht dort eine Uhrzeit, zum Beispiel „14:25“. Das sind keine Echtzeiten, sondern die fahrplanmäßige Abfahrtszeit. Das heißt: Kommt der Bus dann zu spät, zeigt FIS das nicht an. Sobald die angezeigte Uhrzeit erreicht ist, verschwindet die Fahrt von der Anzeige. Der Bus kommt dann zwar trotzdem noch, das wird aber nicht angezeigt. Stattdessen steht bereits die nächste Fahrt der Linie auf der Anzeige.

Das ist häufig bei Regionalbussen der Fall, die (noch) keine Echtzeitdaten übermitteln. Auch bei Stadtbussen kommt das vor, wenn das RBL zurzeit keine Daten des Busses erhält, etwa weil die Datenübertragung gestört ist. In aller Regel ist aber Verlass auf das Echtzeitsystem. Trotzdem arbeiten wir an einer weiteren Verbesserung. Was genau wir verändern und wie sich das auswirkt, verraten wir Euch in einem kommenden Blog-Post. (Update: hier geht’s zum Artikel)

Was muss ich sonst noch wissen?

Foto: Peter Leßmann

Die FIS-Säule auf dem Handy

Unter www.stadtwerke-muenster.de/fis gibt es eine virtuelle FIS-Säule für jede der über 1.000 Haltestellen in Münster. Das ist nicht nur übers Smartphone an der Haltestelle nützlich, sondern funktioniert auch im Browser zuhause oder auf der Arbeit. So lässt sich schon vorher abschätzen, ob der Bus verspätet kommt. Je kürzer die Zeit bis zur Abfahrt ist, desto verlässlicher ist die Angabe – denn dann ist der Bus schon nah an der Haltestelle, es kann ja weniger Dazwischenkommen.

Wichtig dabei: Plant immer etwas Puffer ein. Wenn der Bus unterwegs an einigen Haltestellen nicht stoppen muss, weil keine Fahrgäste ein- oder aussteigen, kann er auch schneller sein. Solange der Fahrer dadurch nicht vor der Fahrplanzeit ist, nutzt er das natürlich, um eine Verspätung aufzuholen. Also nicht ganz auf den letzten Drücker aus dem Haus gehen!

8 Kommentare

  1. hjb
    31. Oktober 2016

    Schauen sie sich doch mal die Anzeige am Bült an. Dort ist zu sehen, wie sich die Busse zwischen Bahnhof und Eisenbahnstr. Wie in der Formel eins innerhalb einer Minute mehr als einmal überholen und auch die Ankunftszeit mal erhöht

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    • Florian Adler
      2. November 2016

      Hallo hjb,

      tatsächlich weiß das System nicht immer, welcher Bus gerade „vorn“ liegt, daher kann sich die Ankunftsreihenfolge auch mal verschieben, gerade wenn ein Bus am Bahnhof länger steht als ein anderer. Überholmanöver sind auf der Strecke eher die Ausnahme 😉 Dass sich die Ankunftszeit erhöht liegt daran, dass gerade zwischen Bahnhof und Eisenbahnstraße einiges passieren kann, was nicht abzusehen ist. Aufgrund von Autorückstaus können die Busse manchmal nicht direkt in die Busspur Eisenbahnstraße fahren und stehen daher länger. Und wenn dort mehrere Busse an der Haltestelle stehen, dann verpasst der dritte Bus die Ampelschaltung und muss einen ganzen Umlauf warten. Auch dadurch geht dann Zeit verloren, weshalb die Minutenanzeige am Bült stillsteht oder sogar wieder erhöht wird.

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  2. Stadtwerke Münster Blog » Wir würden gern pünktlicher fahren – warum das nicht immer klappt
    17. November 2015

    […] Möglicherweise animiert zusätzlich der relativ niedrige Benzinpreis auch noch den ein oder anderen, wieder häufiger das Auto zu nutzen. Das Resultat: Zurzeit sind mehr Autos unterwegs, als Platz auf den Straßen ist. Und unsere Busse stehen in deutlich längeren Staus. Die FIS-Anzeigen an den Haltestellen können dann keine Echtzeit-Abfahrten mehr ermitteln und zeigen nur noch an „Bus im Stau, Abfahrt später“. […]

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  3. Stadtwerke Münster Blog » Von analog zu digital: FIS verbessert
    2. April 2015

    […] setzen mal voraus, dass alle den letzten Blogpost dazu gelesen haben: Wie aus einer Minute drei werden können: Echtzeitauskunft und ihre Grenzen. Heute erklären wir, wie wir unsere Echtzeitauskunft verbessert haben und so dafür sorgen, dass […]

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  4. Maik
    7. Februar 2015

    Vielen Dank für die gute Erläuterung der dahinter stehenden Technik, die eine Menge Fragen, die einen an der Bushaltestelle quälen können, nachvollziehbar beantwortet. Das für mich Interessanteste ist die Erläuterung, warum manchmal „X Minuten“ und manchmal „XX:XX Uhr“ angegeben ist… damit ist dieses Rätsel auch gelöst.

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  5. Rolf Werner
    7. Februar 2015

    Super Einstand. Endlich eine verständliche Erklärung, wie das RBL in Münster funktioniert.

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  6. Suse
    6. Februar 2015

    Prima Erläuterungen, danke! Jetzt versteh ich auch endlich mal, woran es liegt, wenn die Anzeige manchmal lange unverändert bleibt. Ist ja klar, dass die Dauer einer unvorhergesehenen Behinderung, die einen Bus aufhält, nicht abgeschätzt werden kann. Sind die Straßen überfüllt, können auch die Busse nur an den wenigsten Stellen im Stadtgebiet daran vorbeifahren.

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  7. khms
    5. Februar 2015

    Erinnert mich an ein Erlebnis aus meiner Wehrpflicht-Zeit, also gegen 1980. Ich stand im HBf und wartete auf meinen Zug, und am Nachbargleis wurden Verspätungen angekündigt. Es wurde immer später, und die Verspätungen wuchsen mit: der Zug stand in Bonn, und vor dem Zug hatten es sich einige Demonstranten bequem gemacht.

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